Bergung Gepäckwagen

Gepäckwagen Nr.12 des Entenköpfers geborgen

Am 31.3.2006 vollzog sich, vor den meisten Rheinauern im Grünen verborgen, ein kleiner historischer Akt, der seinen Ursprung wohl um das Jahr 1962 genommen hatte.

Das Kleinbahnmuseum Selfkantbahn konnte in einem Rheinbischofsheimer Obstbaumgelände die Reste eines kleinen, blechernen Eisenbahnwagens bergen, der einst als Fahrzeug des "Entenköpfers" auf den Gleisen in unseren Ortschaften unterwegs war. Seither hatte er eine Nachnutzung als Geräteschuppen erfahren, die aber vor kurzem endete. Jetzt befindet er sich fern seiner badischen Heimat im Rheinland und sieht einer hoffentlich besseren Zukunft entgegen, in der er auch wieder auf Schienen rollen wird.
Warum ausgerechnet im Rheinland? wird sich der Ortenauer fragen. Nun, die Liaison zwischen dem Kleinbahnmuseum Selfkantbahn, gelegen im heutigen Kreis Heinsberg nördlich von Aachen, und der Mittelbadischen Eisenbahn Gesellschaft (MEG) - hierzulande eher bekannt als der Entenköpfer - begann schon im Jahr 1970. Seinerzeit gab die MEG ihren Personenverkehr auf der Schmalspurbahn gänzlich auf, und legte gleichzeitig große Teile ihrer verbliebenen Strecken in den Kreisen Bühl, Kehl und Rastatt still. Gleichzeitig suchte die Selfkantbahn für die Errichtung eines musealen Eisenbahnbetriebes auf Meterspur - der zweiten Museumsbahn in Deutschland überhaupt - geeignete Fahrzeuge, und wurde hier fündig. Gleich drei der zweiachsigen Personenwagen wechselten die Strecke, kurze Zeit später folgten zwei Dieseltriebwagen.
Erst viele Jahre danach, etwa ab Mitte der 1980er Jahre, machte man sich Gedanken zu einem Museumskonzept, in dem fortan auch diese fünf Sachzeugen der MEG eine gewichtige Rolle spielen sollten. Folglich wurde in den Jahren ab 1990 auch zielgerichtet akquiriert, so dass es mit diesem Packwagen nunmehr 10 Originalfahrzeuge sind, die von der Geschichte der MEG in diesem Museum künden, darunter auch die zwei Dampflokomotiven mit den Betriebsnummern 46 und 101. Die letztere ist betriebsfähig und erhielt im Rahmen ihrer Wiederinbetriebnahme im Jahr 2003 in Erinnerung an ihre frühere Heimat den Namen "Schwarzach".
Darüber hinaus ist gerade der neu erworbene kleine und unscheinbare Wagen ein Kuriosum der deutschen Eisenbahngeschichte und ein technischer Meilenstein zugleich!
Anfang der 1930er Jahre durchlief die Mittelbadische Eisenbahn Gesellschaft am Oberrhein eine Phase der Rationalisierung ihres Personenverkehrs, wie sie auch bei anderen Kleinbahnen stattfand, die den Schienenverkehr nicht schon zu dieser Zeit aufzugeben erwogen hatten. In diesem Rahmen entstand nicht nur bei der Waggonfabrik Orenstein und Koppel in Gotha die größte Serie baugleicher Dieseltriebwagen für eine deutsche Kleinbahn, von der die Selfkantbahn mit dem T 7 schon 1971 ein Exemplar erhalten konnte, sondern man schuf auch, da diese Triebwagen keinen Raum für den nach wie vor vorhandenen Gepäck-, Post- und Kleingüterverkehr boten, in eigener Werkstatt auf den Fahrgestellen älterer Güterwagen kleine, leichte Gepäckanhänger. Bei der eher bescheidenen Motorleistung dieser Triebwagen, spielte auch das Gewicht der Wagen eine Rolle, weswegen man die Aufbauten vollständig in Blechbauweise erstellte, was gegenüber hölzernen Seitenwänden eine Gewichtsersparnis brachte. Ferner erhielten die Wagen nicht die volle Höhe eines gedeckten Güterwagens, da eine Beladung ohnehin nur von außen stattfinden sollte.
Es entstanden parallel zur Beschaffung der Triebwagen von 1934 bis 1938 insgesamt sechs zweiachsige Wagen mit den Nummern Pw 11 bis 16, die sich in Details unterschieden. Hatte noch der erstgebaute Pw 11 zweiflügelige Drehtüren in den Seitenwänden, gab es ab dem Pw 12 Schiebetüren. Die Wagen 13 und 14 hatten im Inneren ein abgetrenntes Postabteil, jedoch ohne Umarbeitungsmöglichkeit.
Für den Bau des Packwagens Pw 12 fand ein offener Güterwagen aus dem Jahr 1891, gebaut von De Dietrich in Reichshofen/Elsaß, Verwendung.
Ähnliche leichte Triebwagenanhänger gab es auch bei anderen deutschen und ausländischen Kleinbahnen. Die Lübeck-Segeberger Eisenbahn hatte ebenfalls in den 1930er Jahren ein solches Fahrzeug in Dienst gestellt. Sogar die Deutsche Bundesbahn beschaffte als Anhänger für ihre Schienenbusse kleine einachsige Gepäckanhänger im Jahr 1958, die jedoch nur sehr kurze Zeit im Einsatz blieben. Hierzulande hat jedoch kein weiteres dieser Exemplare überlebt.
Auf die Existenz dieses Stückes wurden die Mitarbeiter der Selfkantbahn bereits 1998 aufmerksam durch die Information von Frau Grampp aus Rheinau, - und vermittelt vom Modellclub 1:87 Lichtenau - deren Ehemann vor Jahrzehnten den Verkauf diesen Wagen in seinem damaligen Obstgarten aufstellte. Die Übernahme gelang schließlich durch das Entgegenkommen der bisherigen Nutzer sowie der Gemeinde Rheinau, sowie nicht zuletzt der Firma Haas + Haas aus Lichtenau, die den Transport stiftete. Die kürzlich erfolgte Bergung dieses Relikts ist natürlich nur ein erster Schritt in Richtung einer betriebsfähigen Restaurierung in den kommenden Jahren, die sicher viel Zeit und Geld in Anspruch nehmen wird, aber wohl zu großen Teilen in Eigenarbeit der Museumsbahner erfolgt. Als Ergebnis wird hoffentlich ein fast neuwertiges Fahrzeug dastehen, wie es einst aus der Werkstatt der MEG in Kehl rollte. Immerhin kann das vorhandene Fahrzeugfragment bereits im Kleinbahnmuseum in Gangelt-Schierwaldenrath besichtigt werden.
Momentan ist bei der Selfkantbahn ein anderes MEG-Fahrzeug, ein zweiachsiger Personenwagen mit der Nummer 56, in Aufarbeitung. Hierbei musste im Rahmen eines Qualifizierungsprojektes in Blankenburg/Harz der gesamte hölzerne Aufbau bis auf wenige Teile erneuert werden. Auch die schon vor vielen Jahrzehnten bei der MEG außer Dienst gestellte Dampfheizung (selbige wird über eine Dampfzuleitung von der Lokomotive her gespeist) wird dabei wieder in fehlenden Teilen ergänzt und ertüchtigt. Voraussichtlich noch im September 2006 ist die Fertigstellung dieses 1914 in Rastatt gebauten Fahrzeuges vorgesehen.
Aber auch jetzt schon ist für Freunde des Entenköpfers ein Besuch im Rheinland lohnend: Die Züge der Selfkantbahn rollen jeden Sonn- und Feiertag von Ostern bis Ende September zwischen Geilenkirchen und Gangelt, meistens gezogen von der Dampflokomotive 101 "Schwarzach" der MEG, abends ergänzt durch einen Dieseltriebwagen; oft kommt hier der MEG T 13 zum Einsatz.
Ein weiteres Originalfahrzeug der MEG in Form der Diesellokomotive V29 01 aus dem Jahr 1952 sieht heute bei der Ersten Deutschen Museumseisenbahn in Bruchhausen-Vilsen (südlich Bremen) einer gesicherten Zukunft entgegen. Dort wird diese mächtige Maschine, die noch bis 1980 die Güterzüge zwischen Schwarzach und Scherzheim zog, in diesem Jahr unter anderem zum 40-jährigen Jubiläum der deutschen Museumsbahnen am 1. und 2. Juli auf der Strecke zu sehen und zu hören sein.

Packwagen8

Verladung des Pw12 auf einen Lkw der Firma Haas + Haas in Rheinbischofsheim.
Foto: Jörg Seiler (BNN)

Packwagen7

Nach getaner Arbeit ein Gruppenfoto bei Rheinbischofsheim.
Foto: Jörg Seiler (BNN)

Mehr Informationen zu diesen Museumsbahnen gibt es auch im Internet:
 www.selfkantbahn.de und www.museumseisenbahn.de.


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U. Friedmann 2015, letzte Aktualisierung 01.06.2018